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Kapazitätsplanung in der chargenorientierten Fertigung

Torsten Harnack

In der Chargenfertigung ist die Kapazitätsplanung ein entscheidender Prozess, der wesentlich dazu beiträgt, dass der Produktionsprozess reibungslos und effizient abläuft. So treffen sich in der Planung mehrere oft konkurrierende Aspekte wie der Wunsch, kostenminimal wie auch ressourcensparend, nachhaltig und insbesondere bedarfsgerecht zu produzieren. Es geht also nicht nur um die Auslastung der Produktionsanlage, sondern zudem um die Verfügbarkeit von Rohstoffen, personellen und anderen betrieblichen Ressourcen und deren Abstimmung mit dem Bedarf oder den Kundenanforderungen. Kapazitätsplanung ist vor allem das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Vertrieb, Produktion und der Lieferkette, bei der alle Beteiligten über die notwendigen Informationen verfügen und auf gemeinsame Ziele hinarbeiten.

Warum Kapazitätsplanung in der Chargenfertigung?

Die Chargenfertigung zeichnet sich durch Herstellung in kleinen Losgrößen und eine hohe Produktvielfalt aus. Im Gegensatz zur Massenproduktion, die große Mengen eines Produkts erzeugt, ermöglicht die Chargenfertigung die flexible Herstellung unterschiedlicher Produkte in kleineren Mengen. Diese Flexibilität erlaubt schnelle Anpassungen an Kundenwünsche und Marktveränderungen. Diese Flexibilität hat ihren Preis. Um möglichst flexibel auf Änderungen reagieren zu können, ist es erforderlich Reserven vorzuhalten. Diese Reserven zeigen sich in verschiedenen Bereichen wie beispielsweise in der Bestandshaltung oder in Liegezeiten. Kurz- und mittelfristig ist es jedoch an der Kapazitätsplanung auf Änderungen zu reagieren und die Herausforderungen wieder auszubalancieren.

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Das Planungsproblem

Einhalten von Fälligkeitsterminen, Bearbeitungszeiten von Operationen und das Berücksichtigen von Prioritäten sind grundlegend für die Kapazitätsplanung. Das Ergebnis des Planungsprozesses ist, der durch das Planungsverfahren erzeugte, Zeitplan, d.h. Start- und Endzeit für jede Operation auf jeder Anlage. Es wird also eine Reihenfolge oder Sequenzierung der Aufträge gebildet, das Verfahren wird nachfolgend Reihenfolgeplanung genannt. Zunächst wird die Reihenfolge der Aufträge bezogen auf eine Anlage ermittelt und dann schrittweise weitere Anforderungen hinzugenommen. So ist Chargenfertigung oft mehrstufig, so dass ausgehend von einer primären Herstellung weitere Prozesse mit Zwischenlagerung anfallen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass mehrere Produkte in Kampagnen gefertigt werden, um Aufwand für das Rüsten oder Reinigung zu reduzieren. Stillstände und Wartungsaufträge wirken sich zeitverzögernd auf den Zeitplan aus. Alles übersteuernde Entscheidungen, wie vorgezogene oder ad-hoc Aufträge, wirken sich auf die Reihenfolge aus. So gibt es Vielzahl von Anforderungen mit eigener Dynamik, die dazu führen, dass die Reihenfolge neu zu bilden ist und Termine neu zu berechnen sind.

Arbeitskräfte als begrenzte Ressource

Neben Maschinen sind weitere Ressourcen wie insbesondere Arbeitskräfte mit geeigneter Qualifikation nur begrenzt verfügbar. Ob deren Einsatz effizient ist, hängt davon ab, ob die für die Leistungserbringung benötigten Arbeitskräfte in richtiger Zahl, mit richtiger Qualifikation, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung stehen. Arbeitskräfte sind in der Produktion insofern komplexer zu planen, weil die Anforderungen an deren Qualifikation auftragsbezogen unterschiedlich sind, der Einzelne je nach anstehender Aufgabe mehrere Aufträge zeitgleich bearbeiten kann und sich seine Verfügbarkeit dynamisch, z.B. aufgrund von Arbeitszeitmodellen oder Abwesenheiten, verändert. Weitergehende Einschränkungen ergeben sich vor allem aus individuellen Arbeitsverträgen, einem anwendbaren Tarifvertrag, gesetzlichen Schutzvorschriften, bestehenden Betriebsvereinbarungen sowie aufgrund von Mitbestimmungsrechten.

Die Reihenfolge der anstehenden Aufträge wirkt auf die Personaleinsatzplanung, aber umgekehrt, wirkt sich die begrenzte Verfügbarkeit von Arbeitskräften auf die Umsetzbarkeit der geplanten Reihenfolge aus. Diese situative und bedarfsorientierte Planung erfordert eine Vielzahl an Information aus unterschiedlichen Systemen oder ist idealerweise in die Materialwirtschaft bzw. ins ERP-System eingebunden. Unter Berücksichtigung von Regeln und Restriktionen erstellt die integrierte Personaleinsatzplanung einen bestmöglichen Vorschlag, deckt Konflikte wie Engpässe auf und visualisiert die Abdeckung.

Mehr Planungsgenauigkeit durch Prognosen

Eine Herausforderung bei der Kapazitätsplanung ist eine belastbare Aussage über den voraussichtlichen Bedarf zu ermitteln. Ohne eine klare Vorstellung davon, was die Kunden in der Zukunft benötigen werden, ist es nahezu unmöglich, die Produktion effizient zu planen. Die traditionellen Ansätze, wie subjektive Umsatzschätzungen durch den Vertrieb, qualitative Bewertungen durch das Management und einfache statistische Methoden wie gleitende Durchschnitte, saisonale Mittelwerte und exponentielle Glättungsmethoden, haben ihre Grenzen. Diese Verfahren liefern oft nur Antworten von mäßiger Qualität und sind derart aufwendig zu erstellen, dass bestenfalls eine quartalsweise Aktualisierung erfolgt. Modelle basierend auf Künstlicher Intelligenz (KI) sind hingegen imstande komplexe Muster besser und schneller zu erkennen. Allerdings, je individueller Produkte für Kunden produziert werden umso weniger Historie ist verfügbar und weitere Quellen werden benötigt. So können weitere Informationen aus dem Markt oder vom Kunden die Genauigkeit verbessern. KI-basierte Modelle ermöglichen zudem die Überwachung von Key Performance Indicators (KPIs) in Echtzeit, sodass in der Kapazitätsplanung zeitnah auf Veränderungen reagiert werden kann.

Insider wie Ingenieure sollten allerdings die von der KI generierten Planungsvorschläge hin und wieder bewerten und ihre eigenen Urteile und Erfahrungen einbringen, um die Modelle zu justieren. Bei allem Optimismus mit denen die meisten Projekte zur Einführung von KI-Werkzeugen gestartet werden, sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Güte dieser Optimierungen von der Qualität der beigestellten Daten und der Menge an strukturierten Daten abhängig ist. Ein umfassend genutztes ERP-System mit hoher Datenqualität ist somit eine Voraussetzung für KI-basierende Optimierungen bei der Kapazitätsplanung.

Fazit

Die Kapazitätsplanung ist nur so gut wie die Qualität der verwendeten Daten. Fehler in den Daten oder fehlerhafte Einordnung der Daten führen zu Fehlern in der Kapazitätsplanung.  Die voranschreitende Digitalisierung liefert zwar mehr Daten und Handlungsoptionen für die Planung, stellt jedoch auch höhere Anforderungen an deren Organisation und Qualifizierung. Hilfreich ist es, frühzeitig Standards und Zuständigkeiten zu vereinbaren, etwa wenn es darum geht, werthaltige Daten bereitzustellen oder aufzubereiten. So empfiehlt es sich Datenqualität fortwährend zu überwachen und dafür Indikatoren festlegen, wie zum Beispiel kürzere Durchlaufzeiten, weniger Doubletten und weniger fehlerhafte Chargen. Um den Herausforderungen zu begegnen, bedarf es skalierbarer und mitwachsender Systeme.

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Autor:
Torsten Harnack
Industry Manager Process | COSMO CONSULT Würzburg