Digitalisierung im Industrieumfeld treibt die IT-Verantwortlichen um. Im Gespräch mit Udo Ramin, Prokurist Cosmo Consult TIC GmbH und innerhalb der Cosmo Consult Gruppe verantwortlich für die Innovationsthemen IoT und Industrie 4.0, klärt das Midrange Magazin (MM) interessante Details.

MM: Welche Vorteile bringen IoT-Konzepte für produzierende Unternehmen?
Ramin: Das Zusammenspiel von Cloud Computing, Connectivity und immer günstiger Sensorik ermöglicht es produzierenden Unternehmen, Daten zu nutzen, um den Lebenszyklus ihrer Produkte, aber auch ihrer Maschinen und Anlagen zu verfolgen und zu steuern. Erst so werden neue Geschäftsmodelle und Services möglich: Indem beispielsweise der Autohersteller weiß, welche Teile in einem Fahrzeug in Kürze ersetzt werden und deshalb als Ersatzteil zeitnah hergestellt werden müssen – oder indem ein Maschinenhersteller vorausschauende Wartung anbieten kann. Auch in der Prozessindustrie profitieren Unternehmen zunehmend von der IoT-Vernetzung ihrer Anlagen oder Industrieparks, weil sich zum Beispiel durch Sensorinfos Leckagen rechtzeitig vermeiden lassen und Pumpen nicht mehr durch aufwendige Begehungen kontrolliert werden müssen. Produzierende Anlagen müssen hoch verfügbar sein, für ihre Instandhaltung fallen jährlich zwei bis sieben Prozent der Investitionskosten an. Hier werden mit zunehmendem Einsatz von Sensorik deutliche Einsparungen möglich sein. Safety first: Zugleich lassen sich Sicherheitsrisiken früh erkennen und Anlagen mit höherer Arbeits- und Betriebssicherheit fahren – und das zugleich nachhaltiger und kostengünstiger.

Quelle: COSMO CONSULT TIC GmbH

Udo Ramin ist Prokurist bei der Cosmo Consult TIC GmbH und innerhalb der Cosmo Consult Gruppe verantwortlich für die Innovationsthemen IoT und Industrie 4.0.

MM: Welche Technologien sind nötig, um Betrieb und Instandhaltung in der Produktion mit IoT-Konzepten zu vereinfachen?
Ramin: Dazu gehören Sensorik mit Edge Devices, Connectivity, Cloud, Data Analytics und Apps. Zudem werden digitale (Cloud-basierte) Plattformen benötigt, auf denen rollenbasiert Informationen und Apps bereitgestellt und Prozessschritte durchgängig digitalisiert werden können. Die Grundvoraussetzung von IoT-Konzepten ist zunächst die Konnektivität. Hier gibt es unterschiedlichste Ansätze, die heute von der traditionellen Verkabelung über Bussysteme bis hin zu Funk-basierten Technologien wie Wifi, Cellular (3/4/5G) oder Low Power WAN wie zum Beispiel LoRa reichen. Darüber hinaus braucht es Apps rund um Data Processing, Visualization, Analytics und KI, die Daten analysieren, visualisieren, monitoren und weiterverarbeiten.

MM: Welche Cloud-Plattform eignet sich da am besten – und warum?
Ramin: Nicht jedes Unternehmen kann und muss das Rad im IoT-Umfeld neu erfinden: Es gibt mittlerweile ausgereifte Plattformen, die sich an beliebige Use Cases anpassen lassen. Gerade hier ist es sinnvoll, sich für eine Cloud-Plattform einschließlich Betrieb, IoT-Anbindung und App-Entwicklung aus einer Hand zu verlassen. Die Microsoft Azure Plattform ist bereits in den meisten produzierenden Unternehmen verankert, die auf die Cloud setzen und hat sich zum Industriestandard entwickelt. MS Windows gilt seit vielen Jahren als Standardbetriebssystem für Industriecomputer und robuste Geräte in der Produktion: So konnte deutlich mehr industrielles Prozesswissen in die Cloud-Plattformen eingebracht werden als bei anderen Anbietern. Als einer der drei größten Hyperscaler steht Microsoft zudem als Garant für IT-Security in der Cloud. Durch die enge Verzahnung mit der Office-Welt fällt auch gleichzeitig die Einarbeitung in neue Anwendungen leicht, weil alles den bekannten Bedienprinzipien folgt.

MM: Welche Vorteile bringt ein Digitaler Zwilling ins Spiel und für welche Anwendungsfelder eignet sich diese Technologie besonders?
Ramin: Überall dort, wo die Daten aus dem Lebenszyklus eines Produkts für neue Services genutzt werden oder wieder in die eigenen Produktentwicklungsprozesse einfließen sollen, hilft der Digitale Zwilling. Von der Entwicklung über die Produktion bis in den Betrieb werden dafür alle relevanten Informationen in einem digitalen Modell gespeichert. Das ist vor allem dort wichtig, wo mit Simulation und KI-Produkte und Prozesse immer weiter optimiert werden. Auch in der Industrie-4.0-Produktion, der Smart Industrial Site oder der Digitalen (Industrie-)Baustelle trägt dieser Zwilling dazu bei, Produktionsprozesse zu digitalisieren, mit Simulationstools optimaler zu steuern oder anhand von Sensorüberwachung den Instandhaltungsaufwand deutlich zu reduzieren. Generell gilt: Wir werden sowohl immer mehr Produkte als auch Produktionsstätten visuell auf dem Smartphone oder Tablet als Digital Twin zum „Anfassen“ erleben: Das Prinzip der „Smart Home“-App hält zunehmend auch in die Industrie Einzug.

MM: Wie lassen sich in diesem Kontext die nötigen Sensoren anbinden und in die übergeordneten Systeme, wie etwa ERP, integrieren?
Ramin: Ganz klar: Wenn wir von Sensoren im Kontext von IoT sprechen, dann sprechen wir auch über digitale Plattformen. Ein kleines Pilotprojekt mit einem Sensor mag angehen. Sobald allerdings mehr und unterschiedliche Sensortypen genutzt werden, bedarf es einer Plattform, die sozusagen als Middleware für das Handling sorgt. Ansonsten müssten sich Unternehmen immer weiter mit den einzelnen Sensorherstellern und ihren Updates befassen, ohne vernünftiges Konzept. Schon beim ersten IoT-Case sollte also eine sinnvolle Cloud-Architektur aufgesetzt werden. On-Premises hingegen hat man es in kürzester Zeit mit einer explodierenden Schnittstellenthematik zu tun. „Vom Sensor zum ERP“ – ein ganzheitliches IT-Konzept von der Sensoranbindung bis zur Einbindung des ERP-Backend auf einer Cloud-basierten Plattform ist daher besonders zielführend.

MM: Wie sollte der Umgang mit den durch IoT hinzugekommenen Daten geregelt sein und welche Konzepte gilt es dabei zu verfolgen?
Ramin: Besonders gut geeignet sind zentral konzipierte Cloud-Plattformen, in die sich das ERP-System neben anderen Apps vollständig integriert. Allerdings gehören Sensordaten nicht direkt ins ERP-System, sondern in ein Daten-Repository. In der Azure IoT Cloud werden die Sensordaten so verarbeitet, dass genau die richtigen, Event-bezogenen Daten ins ERP wandern: Die Sensorinfo, dass die Wanddicke eines Rohrs abnimmt, löst automatisch eine Wartungsanfrage im ERP-System aus. Indem alle Bereiche auf einer großen digitalen Industrieplattform mit Apps für alle Anforderungen abbildbar sind, fällt die Kopplung mit dem ERP-System deutlich leichter. Low-Code-Plattformen wie MS Power Apps und Power Automate sorgen zudem dafür, dass Mitarbeiter im Unternehmen auch ohne Programmier-Skills passende Lösungen und Prozessautomatisierungen selbst entwickeln und umsetzen können.

Rainer Huttenloher

COSMO CONSULT Gruppe