Internationalisierung

Erst Strategie, dann Struktur

Im Interview lobt Uwe Bergmann von Cosmo Consult den deutschen Mittelstand und erklärt, weshalb die Wahl eines ERP-Systems die gesamte Unternehmensstrategie abbilden sollte.

Uwe Bergmann, Cosmo Consult

Uwe Bergmann, Vorstandsvorsitzender von Cosmo Consult

ITM: Herr Bergmann, „Internationalisierung: Ja oder nein?“ – Ist dies anno 2019 überhaupt noch eine Frage und, falls ja, denken Sie, dass der deutsche Mittelstand langfristig noch eine Wahl hat, wenn er rentabel bleiben möchte?
Uwe Bergmann:
Die Internationalisierung ist im deutschen Mittelstand längst Realität – und nicht nur, um im Ausland billiger zu produzieren oder weil man seinen Auftraggebern, etwa großen Konzernen, in Billiglohnländer folgt. Das Erschließen neuer Wachstumsmärkte ist inzwischen auch für Mittelständler zum Erfolgsmodell geworden. Die zahlreichen „Hidden Champions“ aus Deutschlands Mittelstand sind fast alle international tätig. In einer globalisierten Ökonomie ist die Welt durch Internet und Digitalisierung kleiner geworden und es ist heute leichter, in neuen Märkten zu starten. Allerdings gilt das für alle, also auch für neue Wettbewerber aus dem Ausland, die auf unseren Heimatmarkt streben. Mit Diversifizierung in Produkten, Märkten und Kulturen ist es leichter, die Trends von morgen zu erkennen und diese Veränderungen für sich zu nutzen. 

ITM: Welche Rolle spielt die Wahl eines passenden ERP-Systems beim Eintritt in den europäischen – und mehr noch – in den Weltmarkt?
Bergmann:
Die Digitalisierung wird heute nicht mehr als lästiger Kostenblock, sondern als wichtiger Baustein der Unternehmensstrategie gesehen. In dem Zusammenhang ist die Auswahl eines der Kernelemente der Digitalisierung, nämlich des ERP-Systems, von großer Bedeutung. Dabei muss man moderne ERP-Systeme heute eher als Plattformtechnologie verstehen wie beispielsweise die Microsoft-Dynamics-365-Plattform. Zudem muss das Kernsystem die Unternehmensstrategie optimal unterstützen. Für eine internationale Wachstumsstrategie muss es also sowohl international erfahren und verfügbar sein als auch alle notwendigen regionalen Funktionalitäten und lokalen juristischen Besonderheiten abdecken. Wichtig ist, dass strategische Überlegungen, die eine ganzheitliche Beratung und Betreuung ebenso wie die Möglichkeit neuer Geschäftsmodelle umfassen sollten, über der puren Prüfung und Bewertung von Funktionalitäten stehen. ERP-Systeme sind in der Regel für Jahrzehnte in Unternehmen verankert, daher ist die zukünftige Entwicklung und Integration von Themen wie Data & Analytics, Cloud, Industrie 4.0 und Künstlicher Intelligenz viel wichtiger als aktuelle Detailfunktionen. Eine ganzheitliche Betrachtung des Digitalisierungszustands eines Unternehmens – wie sie Bestandteil unserer digitalen Reifegradprüfung ist – stellt dafür eine gute Basis dar.

ITM: Welches Szenario droht dem Mittelständler, wenn der Faktor „ERP“ bei Internationalisierungsprojekten unterschätzt wird?
Bergmann:
In den meisten Fällen werden dann in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Systeme mit noch mehr Subsystemen genutzt. So gehen in erheblichem Masse Synergien für Kooperationen und die Entwicklung und Wartung des Systems verloren und es entstehen hohe Zusatzaufwände für Administration, Schnittstellen und die Weiterentwicklung der vielen verschiedenen Systeme. Vor allem aber ist eine zukunftsweisende einheitliche Digitalisierungsstrategie nicht umsetzbar. Synergien und enge über Landesgrenzen hinausgehende Zusammenarbeit sowie die Harmonisierung von Geschäftsprozessen, Best Practice, Shared Services und anderen sind ebenso kaum zu realisieren. Nicht zuletzt deshalb haben auch wir uns gewandelt vom ERP-Softwareanbieter zum kompetenten Digitalisierungsberater und internationalem End-to-End-Lösungsanbieter.

ITM: Wie empfehlenswert ist es, im Zielland unterschiedliche, auf die lokalen Gegebenheiten abgestimmte ERP-Systeme einzusetzensetzen und parallel dazu im Mutterunternehmen die bewährte Lösung einzusetzen?
Bergmann:
Moderne, international verfügbare ERP-System decken die lokalen Anforderungen in den meisten Ländern bereits im Standard ab. Der Betrieb von vielen unterschiedlichen Systemen ist nicht zu empfehlen, da ERP-Systeme und ihre Subsysteme nie so optimal miteinander kooperieren wie eine gemeinsame ERP-Plattform. Vorhandene Potenziale bleiben ungenutzt, Kommunikation zwischen den Systemen wird erschwert und Reaktionszeiten verzögert. In manchen Unternehmen hat es sich bewährt, ein ERP für kleinere oder weniger komplexe Unternehmenseinheiten und eines für große Unternehmenseinheiten zu betreiben. Aber auch hier sollte die Entscheidung der Unternehmensstrategie folgen. Wer sein Unternehmen langfristig international und ganzheitlich auf einer Plattform digitalisieren möchte, sollte dies in seine Überlegungen einbeziehen: „Structure follows Strategy“.

ITM: Inwieweit haben das verstärkte Wachstum und die Akzeptanz von Cloud-Lösungen dazu beigetragen, dass auch Mittelständler sich den Schritt aufs internationale Parkett zutrauen?
Bergmann:
Die Cloud bietet heute die Möglichkeit, ohne hohes Investment und ohne hohes Risiko schnell und mühelos in einem neuen Land mit einem hohen Digitalisierungsgrad zu starten. Cloudsysteme sind weltweit binnen kürzester Zeit verfügbar, man kann sie jederzeit umkonfigurieren, Komponenten zu- oder abschalten und man bezahlt nur, was man auch nutzt. Es gibt nur minimale Ausfallrisiken, IT wird dann künftig fast wie Strom bezogen. Das reduziert massiv das Investitionsrisiko und sorgt für eine hohe Agilität und Flexibilität, die gerade dann, wenn man neue Märkte erschließen möchte, besonders gebraucht wird.

Bild: Cosmo Consult

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